Ist Recycling-Beton der Heilsbringer?
Recycling-Beton (RC-Beton) besteht zu einem Teil aus rezyklierten Gesteinskörnungen, die aus Bauschutt wie Beton- und Mauerwerksbruch gewonnen werden. Der Anteil im Recycling-Beton kann in Bezug auf die geltenden Betonnormen bis zu 45 Prozent der benötigten Gesteinskörnung betragen und eine große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten abdecken. Durch die Wiederverwendung des Abbruchmaterials werden Ressourcen gespart, weshalb RC-Beton zunehmend nachgefragt wird. „Wir begrüßen den Einsatz von RC-Beton vollumfänglich, müssen jedoch darauf hinweisen, dass sein Einsatz mit einigen Einschränkungen verbunden ist“, stellt Dr. Bernhard Kling, Geschäftsführer des Bayerischen Industrieverbandes Baustoffe Steine und Erden e.V. (BIV), klar. „Damit der RC-Beton den Dauerhaftigkeitsanforderungen entspricht, muss immer ein Gemisch aus sogenanntem Primär- und Sekundärmaterial eingesetzt werden. Es ist ein Irrglaube, dass Recycling-Beton vollständig aus wiederaufbereitetem Abbruchmaterial besteht", betont Kling. Realistisch bleiben, nicht verklären Alles, was an verfügbarem Recyclingmaterial für Beton da ist, sollte auch vorrangig genutzt werden. Im Moment können rund 11 Prozent des Gesamtbedarfs an mineralischen Rohstoffen, wie Sand, Kies und Schotter durch aufbereiteten recycelten Bauschutt ersetzt werden. Auch wenn der Recyclinganteil noch weiter erhöht wird, wird er laut einer Studie des DIW Berlin - German Institute for Economic Research lediglich 15 Prozent des Gesamtbedarfs quantitativ und qualitativ abdecken. Dazu kommt, dass ein Großteil der Abbruchmaterialen bereits heute für den Straßen- und Tiefbau verwendet wird. Findet eine Verlagerung des Einsatzes der Recyclingmaterialien zum Bau von Gebäuden statt, so fehlt dieses genau dort. Wo es möglich ist, sollte RC-Beton eingesetzt werden Obwohl die geringe Verfügbarkeit von recyclingfähigen (Abbruch-)Materialien ein grundsätzliches Problem darstellt, ist der mögliche Lieferumfang von RC- Beton aktuell bei vielen Herstellern noch nicht ausgeschöpft. „Wir als Branche haben aufgerüstet, in Technik und Technologie investiert und sind startklar. Wir liefern, was lieferbar ist“, berichtet Karl Hofmeister, Geschäftsführer der SCHWENK Beton Südbayern GmbH und Vizepräsident beim Bundesverband Transportbeton (BTB). Ein Hindernis, auf das die Hersteller von RC-Beton aktuell stoßen, sei oftmals eine fehlende Nachfrage. „Viele Bauherren und Architekten sind noch immer skeptisch gegenüber ‚gebrauchten‘ Materialien. Besonders die Leistungsfähigkeit und Langlebigkeit des RC-Betons wird im Vergleich zu traditionellem Beton häufig in Frage gestellt“, führt Hofmeister aus. Ein Leuchtturmprojekt, bei dem die Verfügbarkeit von Recyclingbeton voll ausgeschöpft wurde, ist der Neubau der Konzernzentrale des TüV Süd in München. Insgesamt 3.468,25 Kubikmeter (das sind mehr als 40 Prozent des Gesamtbedarfs) des ressourcenschonenden Betons flossen buchstäblich in den Bau mehr war aus ingenieurtechnischer Sicht nicht möglich. „Der Bauherr wollte das Gebäude möglichst nachhaltig errichten. Dafür kam natürlich RC-Beton in Frage, solange die Anforderungen an den Beton passen. In diesem Fall: Festigkeit bis maximal C30/37 mit Anforderungen an Wasserundurchlässigkeit“, erläutert Ralf Rattay, Bauleiter bei Glass GmbH Bauunternehmung, Mindelheim, NL München. Im Prozess des Bauens zeigte sich auch für ihn erneut die unkomplizierte Verwendung des Materials: „Beim Einbau und der Verarbeitung von RC-Beton merkt man praktisch nicht, dass RC-Beton verbaut wird. Dessen Eigenschaften sind nahezu identisch mit Beton ohne Recyclinganteil.“ Neben den Planern und Investoren sehen der BIV und BTB auch die Politik in der Pflicht: Der grundsätzlichen Forderung nach mehr RC-Beton muss eine höhere Akzeptanz dieses Baustoffes auch bei den öffentlichen Auftraggebern folgen. Nur so kann der Einsatz gesteigert werden im Rahmen dessen, was verfügbar ist.
„Es müssten ganze Städte abgerissen werden“ Interview mit Dr. Bernhard Kling, Geschäftsführer des Bayerischen Industrieverbandes Baustoffe, Steine und Erden e.V. (BIV) Worin liegt Ihrer Ansicht nach eine der größten Herausforderungen bei der Nutzung von RC-Beton? Dr. Bernhard Kling: Elementar wichtig ist eine verbrauchsnahe Verfügbarkeit von geeignetem Material. Das bedeutet, es braucht einen hohen Anteil an Betonbruch im Bauschutt, der allerdings auch in anderen Baubereichen Verwendung findet. Zudem muss der Stoffstrom kontinuierlich gewährleistet sein und das ist insbesondere in ländlichen Regionen nicht der Fall. Und: Um den gesamten Bedarf an Material, den wir aktuell haben, abdecken zu können, müssten wir zunächst ganze Städte abreissen. Wie verhält es sich mit Regularien? Welche Hürden müssten hier noch genommen werden und vor welchen Herausforderungen steht die Branche? Dr. Bernhard Kling: Die neue Betonnorm DIN 1045- 2 erweitert die Einsatzmöglichkeiten von RC-Beton. Sie unterstützt die Baustoffproduzenten bei der Herstellung von normgerechtem Beton. Allerdings ist die Herstellung von Ausgangsstoffen aus Bauschutt nach wie vor mit vielen Auflagen verbunden. Es werden umfangreiche Untersuchungen und Nachweise gefordert. Oft lohnt sich der Aufwand nicht, weil das Material dadurch unwirtschaftlich wird und sich der Einsatz im Beton nicht rechnet. Sie sprachen davon, die Realität nicht zu verklären. Welche Risiken und Auswirkungen sehen Sie dadurch? Dr. Bernhard Kling: Zum einen erzeugt die Annahme, wir könnten in Zukunft Primärrohstoffe komplett durch Recycling ersetzen, eine verzerrte Wahrnehmung der regionalen Rohstoffgewinnung. Es entsteht das Bild: Die wollen einfach nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Viele Rohstoffbetriebe würden zusätzlich gerne recyceln, scheitern jedoch an bürokratischen Hürden. Wir haben heute schon kommunale Entscheider, die sich aufgrund dieser Behauptung gegen eine Genehmigung aussprechen. Die Baustoff- und die Recyclingbranche wissen, dass wir Primärrohstoffe nicht komplett ersetzen können, aber in der Politik und Öffentlichkeit hält sich dieses ‚Gerücht‘ hartnäckig. Die Auswirkungen können noch gravierender werden, wenn wir die regionale Wertschöpfung nach und nach verlieren und dadurch von Importen abhängig wären. Und am Ende macht die Einschränkung der regionalen Rohstoffgewinnung das Bauen teurer oder teils unmöglich..